Wahlkampf ist Wahlkrampf und Wahlplakate sind Umweltverschmutzung im Dienste der Parteien-Demokratie: Wahlkampf simuliert politische Beteiligung: Wagten Parteien mehr Basisdemokratie, bräuchte es diese ritualisierten Ersatzhandlungen wie dem gemeinsamen Wahlplakate kleben nicht, um Mitglieder zum Mitmachen und Unentschlossene zum Wählen zu mobilisieren.
(Berlin, Bönen) Wahlkampf ist, wenn Parteien politische Beteiligung simulieren, um doch noch möglichst viele Wählerstimmen von unentschlossenen, politisch wenig interessierten oder wahlfaulen Wahlberechtigten einzuheimsen. Allerlei umweltschädliche Wegwerfartikel wie Plastik-Kugelschreiber, Luftballons mit Weichmachern und Wasserhaushalt und Baumbestand schädigende Wahlplakate sollen in Berlin und Anderswo dabei helfen, die Massen am Wahltag zum Gang ins Wahlbüro oder zur Teilnahmen mit Briefwahl zum Wählen zu motivieren. Wagten Parteien allerdings mehr Basisdemokratie, bräuchte es diese ritualisierten Ersatzhandlungen wie etwa dem gemeinsamen Wahlplakate kleben vermutlich nicht, um Mitglieder zu mobilisieren und Bürgerinnen für Politik zu begeistern. Aber dieser altmodische Wahlkampf-Schrott ist halt Wahlkrampf und Wahlplakate sind Umweltverschmutzung im Dienste der parlamentarischen Demokratie.
Wirkliche politische Teilhabe stellt das gemeinsame Plakatieren als tribalistisches Ritual zur Mobilisierung der Parteimitglieder jedenfalls nicht dar. Entscheidungen werden in der Parteien-Demokratie nicht beim lockeren Plausch auf der Straße getroffen. Politik ernsthaft gestalten ist vielmehr eine Mammut-Aufgabe, die im Wahlkampf pausiert. Im Wahlkampftrubel vermag Konstruktives kaum gedeihen. Und zur Aufmerksamkeit: Je mehr Kohle eine Partei zur Verfügung hat, desto relevanter wirkt die Orga auf die Wählenden, das ist ein übel großes Demokratie-Defizit.
SPD-Spam: Im laufenden Wahlkampf grinst Bundestagskandidat Hakan Demir im September 2021 sogar aus der Altpapier- und Plastik-Mülltonne im Hausflur die potentiell Wählenden werbend an… ist wahr!
Update: Über 660 gezählte beschädigte Wahlplakate in ganz Berlin
Sind Wahlplakate doch für etwas gut – womöglich zum Frust-Abbau des gemeinen Wutbürgertums? Jedenfalls ist Vandalismus zu verurteilen und eine Straftat. Aber viele Bürgerinnen sehen in Wahlplakaten offensichtlich eine Anstiftung zur Umweltverschmutzung und zur Sachbeschädigung. So meldet die Berliner Morgenpost am 31. August 2021 bereits über 600 beschädigte Wahlplakate in Berlin. Dazu kommen noch die 60 zerstörten Wahlplakate vom SPD-Direktkandidaten Max Leandro aus Berlin-Mitte: „Meine hab ich noch nicht gemeldet“, erklärt der SPD-Politiker auf Twitter.
Es gibt viel zu kleistern: Wahlkrampf-Saison begann frühzeitig in Berlin
In Berlin hängen die Straßen indes seit dem ersten August-Wochenende voller bunter Wahlplakate. Genehmigt war das Anbringen von Plakaten aber erst ab Sonntag, den achten August pünktlich um 00.00 Uhr, mancherorts obsiegte jedoch der ungeduldige Konkurrenzdruck. Deshalb begannen enthusiastische Wahlhelferinnen der relevanten Parteien viel früher damit, die Kieze Berlins mit Parolen ihrer Wahlprogramme und Portraits der jeweiligen Kandidatinnen vollzukleistern: „Ein Wahlhelfer befestigte am Sonnabend gegen 19.30 Uhr ein CDU-Plakat. Das Plakat von der SPD hing bereits. Erlaubt war das Befestigen von Plakaten erst am Sonntag ab 00.00 Uhr“, verpetzt die Berliner Morgenpost am Montag danach die Plakatier-Aktion der Berliner Sozialdemokraten.
Den ganzen Kiez im Beschlag genommen: Politiker:innen auf umweltschädlichen Wahlplakaten grienen dich plötzlich überall an
Wahlkampf heute ist die Umweltverschmutzung von Morgen: Allein die Linken haben mit 4000 Plakaten den Berliner Bezirk Neukölln zugekleistert
„Über 100 Menschen haben gestern und heute mehr als 4000 Linke-Plakate in Neukölln aufgehängt“, bekennt Lucia Schnell von der Partei Die Linke sich unverblümt zur plakativen Umweltsünde und treibt es froh gelaunt auf die Spitze: „Das war ein spitzen Auftakt! Menschen vor Profite!“ Nun ja. Viele Werbeagenturen und Druckereien profitieren jedenfalls ordentlich von der parteilichen Materialschlacht im Wahlkampf-Getöse.
Wahlplakate im Stadtbild: Für ein sozial gerechtes Berlin will Klimaliste sogar noch mehr Wegwerf-Druckerzeugnisse über Kopfhöhe der Bürger platzieren
Klimaliste lässt es sich ebenfalls nicht nehmen mit klimanegativen Wahlplakaten das Stadtbild zu verschandeln und droht an, die Umwelt mit noch mehr Papiermüll weitaus heftiger belasten zu wollen: „Die Aktivisten der Klimaliste sind auch heute noch mit Lastenrad und Leiter unterwegs und hängen weitere Wahlplakate auf“, wird die Ressourcen-Verschwendung am 08.08.2021 kühl kalkuliert auf Twitter angekündigt.
Ganz Moabit wurde mit grünen Partei-Parolen zu plakatiert: Grünen-Funktionär bedankt sich auch noch euphorisch bei allen Mittäter:innen fürs fleißige Helfen
Aus Naturschutz wird bei den Grünen technisch optimierter Klimaschutz, da dürfen Wahlplakate, hergestellt aus toten Bäumen natürlich nicht fehlen. Grünen-Politiker Taylan Kurt schreibt dazu: „Trotz strömendem Regen haben viele helfende Hände der @gruenemitte dabei geholfen die Wahlplakate in Moabit und im Brüsseler Kiez an die Straßenlaternen zu bringen. Ganz herzlichen Dank an alle, die mit angepackt haben! Ohne euch wäre das nicht möglich gewesen!“
Plakatieren für die Demokratie: Wie umweltschädlich sind Wahlplakate wirklich?
WAHLPLAKATE! Haben sie jemals euer Wahlverhalten beeinflusst? Meins nie! Gibt es Untersuchungen dazu? Sie verschandeln nur das Stadtbild und die Umwelt. Halte sie in der heutigen Zeit für total überholt. * meine Meinung!
Ingrid Schockemöhle, Twitter
Twitter-Debatte: Wie demokratisch und umweltschädliche Wahlplakate wirklich sind bleibt beim Kurznachrichten-Portal unbeantwortet
„Haben Wahlplakate jemals euer Wahlverhalten beeinflusst?“ Eine sehr gute Frage stellt Ingrid Schockemöhle auf Twitter. Sie selbst meint, dass sie noch nie aufgrund von Wahlplakaten entschieden hätte, welche Partei bei anstehenden Wahlen letztendlich ihre Stimme bekomme. Mag aber sein, dass viele Menschen, sich von Wahlplakaten in Stimmung versetzt fühlen, mit den Nachbarn auch mal über Politik zu streiten. Ganz ähnlich der Aufmerksamkeit für den Tweet, der Wahlplakate kritisch hinterfragt, sorgt bereits jedes andere Gespräch über demokratische Wahlen womöglich zu einer höheren Wahlbeteiligung. Folgend zitiere ich drei interessante Statements aus dem oben verlinkten Twitter-Thread.
Friedrich Jeschke, Die Linke: „Oft eine der wenigen Chancen auf sich aufmerksam zu machen. Ich verstehe deinen Standpunkt durchaus. Wir versuchen unsere Plakate wiederzuverarbeiten und mehrfach zu nutzen. Wir bekommen eher Zuspruch als Ablehnung für unsere Motive. Und Wahlkampf gehört auch zur Demokratie.“
Ingried Schockemöhle: „Unbedingt gehört Wahlkampf zur Demokratie. Da bin ich ganz bei dir. Die Wahlplakate haben für mich allerdings etwas gestriges. Und meistens müsste man die Werbetexter ‚entlassen‘. Bis auf wenige Ausnahmen. Umweltschutz findet nicht statt.“
Herr Kanzler: „Wahlplakate der Partei die Partei sind grundsätzlich immer sehr gern gesehen und notwendig – denn sie sind sehr gut!“
Thread-Zitat vom Tweet
„Heute Wahlinfo, morgen Müll: Umweltsünde Wahlplakate“, weiß der Westfälische Anzeiger reißerisch auf den Punkt zu bringen
Zurück zur fehlenden Antwort auf die sehr gute und äußerst spannende Frage, ob die Wahlplakate der demokratischen Parteien tatsächlich umweltschädlich sind. Im schönen Bönen bei Hamm in Nordrhein-Westfalen setzte sich bereits 2019 die Lokaljournalistin Kira Presch im Westfälischen Anzeiger mit dem Problem der Schilderwälder in der Fußgängerzone auseinander. Und ja, Wahlplakate sind nicht gut für die Umwelt und schützen die Natur auch in kleinster Weise, sondern belasten den Planeten Erde bloß zusätzlich. Wahlplakate sind Wegwerfartikel, egal, ob aus Plastik oder Pappe: Wahlplakate verschwenden Ressourcen und belasten die Umwelt. Ist so.
Demokratie ohne Wahlplakate: Gladbeck zeigt wie’s geht
Es geht auch ohne Plakate: In der Stadt Gladbeck (NRW) beispielsweise sind SPD und Die Linke zu der Erkenntnis gelangt, dass eine Flut von Wahlplakaten keine Flut an Wählerstimmen bringt. Und so vermeiden die beiden Parteien nicht nur Plastikmüll, sondern verzichten auch erstmals ganz darauf, ihre Plakate für die Europawahl an Laternenmasten zu befestigen. Die Fridays-For-Future-Demonstrationen hätten ihn zum Nachdenken gebracht, sagt der Gladbecker SPD-Chef Jens Bennarend, der selbst Kandidat bei der Europawahl ist: „Wenn wir unseren Planeten erhalten wollen, müssen wir anfangen Einschränkungen hinzunehmen. Das ist eine Möglichkeit für die Parteien, Müll und Plastik zu vermeiden.“
Westfälischer Anzeiger, 2019
Werde diesen Post mutmaßlich fortlaufend mit Links und neuen Erkenntnissen auffrischen. Kommentare werden freigeschaltet. Mein persönliches Schlusswort: Rettet die Natur, mehr Basisdemokratie wagen ist nachhaltiger als Mobilisierungsrituale im Wahlkampf. Seid selbst politischer als die hohlen aber umweltschädlichen Wahlplakate es sind. Geht wählen, wählt nur Parteien, die ich in diesem Post erwähnte. Alle anderen sind nicht relevant oder sogar noch viel schädlicher als jedes Wahlplakat der Linken, der Grünen, der SPD oder der Klimaliste. Gebt Nazis und Klimaignoranten keine Chance.
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