Berliner FDP-Propaganda für A100

Ist die echte oder wahre Verkehrswende Sozialismus wie in der DDR?

Berlin baut eine Autobahn mitten durch die Stadt. Anbetracht der Klimakrise und der Erkenntnis, dass der individualisierte PKW-Verkehr als Massenverkehrsmittel komplett und kläglich versagt hat, ist das der reine Wahnsinn. Dementsprechend aufgeheizt die Stimmung auf Seiten der Verrückten, die krampfhaft am Projekt A100 festhalten. Eskalierendes Commitment nennen Soziologinnen und Politikwissenschaftler:innen den Zustand, wenn trotz des drohenden Scheiterns eines Projektes, krampfhaft verbissen am unerreichbaren Ziel festgehalten wird. Zum Hintergrund der A100-Pläne ein kleiner Überblick im Rückspiegel: „Während Grüne und Linke den Ausbau der Autobahn ablehnen, ist die Berliner SPD seit langem in der Frage uneins. Im Juni 2010 hatte die Partei beim Landesparteitag mit einem Ergebnis von 113 zu 108 für den Weiterbau der A100 von Neukölln nach Treptow votiert, nachdem der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit den Autobahnbau zur Chefsache erklärt hatte. 2011 waren Differenzen über die Verlängerung der A100 sogar mitverantwortlich für das Scheitern rot-grüner Koalitionsgespräche, weil die Grünen einen Weiterbau kategorisch ablehnten. Es kam stattdessen in Berlin erstmals nach der Jahrhundertwende wieder zu einer Koalition zwischen SPD und CDU“, erklärt das Facetten-Magazin die langwährende Geschichte des millionenteuren in Stahl-Beton gegossenen Autowahnsinns.

Recycling: A100-Baustelle in Neukölln in ein multimobiles Stadtquartier umwandeln

A100-Grabstelle in Neukölln
A100-Baustelle in Berlin-Neukölln – bald ein Millionengrab oder buntes Stadtquartier?

Pro und Kontra: Argumente für und gegen den Bau der Stadtautobahn A100

Polemik ist in der Politik ärgerlicher Allltag. Das schlägt sich auch in Twitter-Diskursen nieder. Ein Beispiel anlässlich eines Tweets der Berliner FDP-Fraktion, den ich als Berliner FDP-Propaganda für die A100 beschreiben mag. Ich zitiere…

„Der Ausbau der A100 ist absolut notwendig, um die Innenstadt vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Den halbfertigen Bau jetzt zu stoppen & in eine Ruine zu verwandeln, wie Linke & Grüne es fordern, wäre eine gigantische Verschwendung & verkehrspolitisch völlig falsch.“

Twitter, FDP

Sozial ist, wer sich ein Auto leisten kann: FDP-Denke in einem Twitter-Thread

Nach viel Gegenwind mit guten Argumenten gegen eine Straße nur für Autos und für mehr Verkehrsgerechtigkeit durch den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs und die Reduzierung des PKW-Aufkommens mit all seinen Nachteilen, sinkt das Niveau am späten Abend des 13. Aprils 2021 im Twittter-Thread seitens pseudo-liberaler FDP-Accounts schnell nach unten ab. Ein Twitter-Nutzer schreibt allen Ernstes: „In Zeiten der Pandemie hat sich gezeigt, wie wertvoll der PKW-Individualverkehr ist, um den ÖPNV zu entlasten und damit Leben zu schützen. Wir benötigen mehr Innovation in umweltfreundliche, modernere Autos. Das Motto lautet: Klimaschutz durch Innovation und nicht durch Verbote!“ Meine lakonische Antwort: „Ganz genau: Sicherheit, Freiheit und Gesundheit für die, die es sich auch individuell leisten können.“ Eine Liberale stellt schließlich explizit die ultimative, soziale Frage und ein Sozialist fühlt sich davon regelrecht provoziert. Das „Gespräch“ habe ich („Sozialist“) gerne dokumentiert.

Liberale: Warum möchten die Leute immer den Schlechterverdienenden das Auto verunmöglichen? Ist das diese soziale Frage in der Mobilität?

Sozialist: Weil Besserverdienende das Autofahren verlogen als soziale Frage darstellen wollen?

Liberale: Inwiefern?

Sozialist: Ein guter ÖPNV nutzt besonders den Geringverdienenden. Der Anteil der Wenigverdiener:innen ist unter den Autofahrenden gering. Wie wär’s damit, das Eigenheim im städtischen Raum für alle zu ermöglichen?

Autogerechtigkeit: Sicherheit, Freiheit & Gesundheit für die, die es sich leisten können

Liberale: Soso. Der Anteil der Wenigverdienenden bei Autofahrern beträgt btw. > 50 %.

Sozialist: Quelle? Wahr ist, Auto fahren belastet Geringverdienerinnen ohnehin viel stärker als Wohlhabende. Die Leute vom Auto unabhängig zu machen, ist sozial.

Liberale: Nö, das Auto belastet nicht, es entlastet. Zumindest rechnet es sich für Besitzer, sonst würden sie es nicht benutzen. Sie müssen die Leute nicht für dumm halten.

Sozialist: Autos belasten sogar schon Normalverdiener mit 25 Prozent des Einkommens, das wird von Händlern als normal angesehen. Je weniger Verdienst, desto mehr Belastung. Plus Reparaturen, Gebühren… Dieter Bohlen argumentierte ähnlich, wenn er über die Qualitäten von Modern Talking schwärmte. „Millionen haben unsere Platten gekauft.“ Politik sollte gestalten wollen, nicht die Leute verführen, Dummes zu tun.

Liberale Stimmung kippt: Gerechtigkeit politisch zu gestalten, sei DDR-Sozialismus

Liberale: Danke, diese Gestaltung konnte man in der DDR schon ausgiebig bewundern, letztendlich musste man eine Mauer drumherumbauen, um die Leute zu halten.

Sozialist: Gähn… Liberal von heute ist einfach bloß reaktionäre Ignoranz. Wie armselig. DDR war eine alte Umweltsau. Das ist die FDP heute noch.

Liberale: Schon komisch, dass die Leute dann trotzdem eins kaufen? Das scheint es ihnen doch wert zu sein. Und glücklicherweise wird einem noch nicht vorgeschrieben, wofür man sein Geld ausgeben möchte. Autofahrer brauchen Sie nicht als Nanny.

Sozialist: Bürger.innen brauchen gerechten Zugang zur Mobilität, der aber von der sogenannten Autogrechtigkeit verbaut worden ist. Mobilität ist ein Grundrecht, keine Frage des Einkommens. #SozialismusJetzt

Liberale: Ein Sozialist, na dachte ich es mir doch. Sozialismus schafft Armut und verteilt sie noch nichtmal gerecht.

Dummheiten erwidern: Autokorrektur ist tatsächlich eine soziale Frage

Betreibt der rot-rot-grüne Senat also eine reine Klientel-Politik für eine Minderheit, die Millionen Autofahrer benachteiligt? Nein, denn Millionen von Menschen fahren in Berlin gar kein Auto, sondern werden durch den autogerechten Individualverkehr-Wahnsinn in ihrer Mobilität massiv eingeschränkt und finanziell sowie ökologisch stark belastet.

„Die Zahl ist gigantisch: Auf 149 Milliarden Euro belaufen sich die jährlichen externen Kosten des Verkehrs in Deutschland. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie des Zürcher Infras-Instituts im Auftrag des Verkehrsbündnisses „Allianz pro Schiene“. Mit 141 Milliarden Euro entfällt der allergrößte Teil dieser Kosten, fast 95 Prozent, auf den Straßenverkehr. Die Schiene verursacht mit 5,7 Milliarden Euro fast vier Prozent der externen Verkehrs-Kosten. Jeweils knapp ein Prozent stammt vom inländischen Luftverkehr und der Binnenschifffahrt.“

Klimareporter.de, teuer Straßenverkehr

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