Gewissensbisse im Rollberg-Kiez beim Bedienen der Ordnungsamt-App in Neukölln wegen Obdachlosen in Not

„Hoffentlich ist das bloß eine (von Kindern im Spiel) selbstgebaute Spielwohnung“, dünkte es mir als ich die Ordnungsamt-App mal wieder nutze. In Neukölln findet sich immer etwas, was man dem Ordnungsamt ohne erst zu suchen melden kann. Als hart gesottener vor acht Jahren aus Kreis Recklinghausen via Essen, Köln und Berlin-Friedrichshain zugezogener Neuköllner, meldet man nur die wirklich „schlimmen“ Dinge dem Ordnungsamt, weil man sonst den lieben ganzen Lockdown-Tag damit verbrächte, falsch Entsorgtes oder Geparktes und anderen Müll dem chronisch überlasteten Ordnungsamt-Zuständigen zu petzen. Muss eingestehen, ich finde sehr viel mehr schlimm als etwa ein Freund, mit dem ich erst heute einen Spaziergang unternahm: „Das wäre mir jetzt gar nicht aufgefallen, hättest du mich nicht erst darauf aufmerksam“, wirft er mir beim Passieren einer komplett zugemüllten Baumscheibe fast empört vor. „So schlimm“, sei das doch nicht. Doch, ist es. Das hunderttausendfache, unachtsame Fallenlassen von Zigarettenkippen finde ich auch wirklich schlimm, melde ich aber – noch nicht – via Ordnungsamt-App. Sollte man aber… Nun gut: Dieses Mal zeigte ich ein Matratzenlager an der Kopfstraße gegenüber der Schule an, unter einem leidlich vor Regen schützendes Bäumchen platziert; brav mit Fotos, Ortsbeschreibung und den brutalst nüchternen Hinweis auf die Ansammlung von nicht ordnungsgemäß entsorgten Sperrmüll.

Hilft OA-App der Bürger.in ohne Wohnung, deren Unrat im Freien mich stört?

Mir war klar, falls es kein selbstgebastelter Abenteuerspielplatz von unter elterlicher Betreuung stehenden Nachbarn, sondern, wonach es nunmal aussieht, ein alternativ zur offenbar fehlenden Wohnung gestalteter Ruheraum ist, wird das Ordnungsamt trotz des bedauernswerten Hintergrunds vermutlich die BSR damit beauftragen, den als Unrat kategorisierten Schlafplatz rigoros aus der Grünanlage zu entfernen. Das liegt durchaus in meinem und öffentlichen Interesse. Aber: Warum muss ich das überhaupt der OA-App melden, nicht vielmehr einer bezirksinternen Bürger.innenhilfe, die sich – nebst „Sperrmüll“-Entsorgung – auch fürsorglich um die Menschen kümmerte, die offenbar genötigt sind, dort im Freien auf einem Matratzenlager zu ruhen?

Neukölln nervt, aber Schicksale zu ignorieren, nagt an meinem Gewissen

Werde nach dem Wochenende mal versuchen, im Internet und anhand diverser Telefon-Hotlines bei Kommune und Hilfsorganisationen zu recherchieren, welche Alternativen mir geblieben wären… Denn ja, die Gewissensbisse nagen an mir: Selbst möchte ich mein Wohnumfeld ordentlich und sauber gehalten wissen und sehen, wenn ich meine behagliche Wohnung zum Herbstspaziergang in Richtung Tempelhofer Feld verlasse. Aber ich gönne dabei einer Person ohne Wohnung nichtmal einen relativ bequemen Platz zum Schlafen oder Ausruhen, solange es draußen im Kalten gerade noch trocken genug ist. Sauberkeit und Ordnung sind mir ein Bedürfnis, welches in Neukölln eigentlich nie gestillt wird, wahr ist: Neukölln nervt, das Schicksal einer in mutmaßlich sehr prekären Verhältnissen lebenden Person, dabei vollends zu ignorieren, fällt mir jedoch sehr schwer.

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